Diese Geschichte dauert etwas länger und ist eine Achterbahn der Gefühle, nimm dir also einen Kaffee, wir warten hier so lange auf dich.
Bist du soweit? Dann geht es jetzt los:
Wir befinden uns in Langkawi – Malaysia – und das schon eine ganze Weile. Eigentlich wollten wir an diesem Tag auch nur auf eine Inseltour gehen und uns vorher etwas am Strand umsehen um die Zeit bis zur Tour totzuschlagen. Dass wir jedoch durch Zufall eines der größten und geilsten Abenteuer unserer gesamten Reise finden würden, wussten wir vorher natürlich nicht – aber so war es.
Wir schlenderten also am Strand entlang und schauten hinaus auf das Meer, als uns plötzlich eine ältere Dame mit vietnamesischem Hut fragt, ob wir ihr Schiff bewundern würden – ÄHM NEIN? Welches Schiff denn? Wir waren schon einige clevere Verkäufer gewohnt und hatten eine gewisse Abneigung gegen jeden, der uns irgendetwas verkaufen oder andrehen wollte – und so dachten wir das auch diese Frau nur eine weitere Verkäuferin wäre.
Wir gingen also weiter – doch irgendwie blieb sie bei uns und wir unterhielten uns ein wenig über den Strand, das Meer in anderen Ländern und die Leute Malaysias. Sie erklärte uns, dass sie mit dem Schiff um die Welt fahren und sie aktuell auf der Suche nach Crewmitgliedern ist.
Irgendwann fragte sie uns, ob WIR nicht Lust hätten mit ihr und ihrem Mann gemeinsam nach Sri Lanka zu segeln. Und genau so überraschend wie sich dieser Satz gerade anhört, kam dieses Angebot auch für uns – wie aus heiterem Himmel lag da diese Möglichkeit vor uns, eines der spontansten und zugleich gewagtesten Abenteuer überhaupt zu erleben.
Da wir auf unserer Reise relativ wenig vorbuchen und uns einfach nur treiben lassen, mussten wir nur kurz überlegen und die Sache war für uns klar – NA KLAR WOLLEN WIR! Wir machten ein Meeting aus, um uns gegenseitig zu beschnuppern und gingen mit einem Fragezeichen im Kopf auf unsere Inseltour.
Der erste Kontakt mit dem Schiff
In den kommenden Tagen sollten wir Bethanne (die Frau mit dem vietnamesischen Hut) ihren Mann Dough (ein echter Seebär) sowie Sindbad (unser Schiff für die Reise) bei einem kleinen Meeting kennen lernen.
Allein dieses Treffen funkelte nur so vor Vorfreude auf das, was wir da wohl erleben könnten. Wir trafen uns vor einem alten Restaurant, das geschlossen war und gingen eigentlich davon aus hier irgendwo in Langkawi etwas zu essen und uns über die Pläne der Reise auszutauschen.
Doch einige Minuten später saßen wir alle gemeinsam in einem Beiboot und steuerten raus aufs Meer – raus zum Ankerplatz der Sindbad. Bethanne hatte uns schon einiges über das Schiff erzählt, einem alten Frachtschiff, dass von Dough zu einem schwimmenden Haus für die ganze Familie umgebaut wurde, doch als wir die Sindbad das erste Mal von nahem sehen, sind wir völlig Baff. Das größte Schiff im Hafen – gesteuert von nur 2 Personen über 70? Was zur Hölle?
Da sitzen wir nun am Achterdeck an einem runden Tisch und sprechen über uns, unsere bisherige Reise, unsere Motivation dafür und plaudern mit den Beiden über die bevorstehende Tour nach Sri Lanka – 7 Tage auf hoher See, kein Zuckerschlecken und ohne Zwischenstopp – Nachtwache allein auf der Brücke – Wellengang und harte Arbeit an Bord – das sollte uns erwarten.
Wären wir immer noch bereit diese Reise anzutreten? „Are you keen?“ – fragte Dough uns zum Abschluss und wir konnten in diesem Moment nicht laut genug „SIR YES SIR“ rufen. Natürlich wollten wir dieses Erlebnis, mit allem was dazu gehört, denn wann bekommen wir diese Chance denn noch einmal?
Nachtwache und fehlende Nieren
Einige Tage vergingen und Bethanne und Dough hatten eigentlich vor, noch ein paar mehr Leute an Bord zu holen – doch leider sprangen alle Interessenten ab, was eine Überfahrt nach Sri Lanka kostenmäßig unmöglich machen würde. Doch zum Glück gab es einen „Plan B“ – Thailand, Andamansee, viele kleine Inseln mit tollen Stränden als Zwischenstopp und natürlich viel Zeit zum Schnorcheln und Relaxen – Huch! Wurde aus dem Seewolf-Abenteuer nun also doch eine Art Luxuskreuzfahrt?
Uns sollte das ganz Recht sein – denn keiner von uns wollte die Nachtwache im 6 Stunden-Rhythmus wirklich – klar, wir hätten es gemacht und auch überlebt – aber die Verantwortung für ein Schiff zu übernehmen, während es durch hohe Wellen stampft und man nur bewaffnet mit einem Fernglas nach anderen Booten, Netzen, Bojen, Containern und Inseln Ausschau halten soll? Uns war schon nicht ganz wohl dabei – und so kam uns Plan B nicht ganz ungelegen, auch wenn Thailand eigentlich nicht auf unserer Route lag und wir schon zu viel Zeit dort verbracht haben.
Die Abreise zog sich noch ein paar Tage hin und wir konnten an nichts anderes mehr denken. Wie viel Proviant müssen wir einplanen? Wie viel Wasser nehmen wir mit? Haben wir noch Tabletten gegen Seekrankheit? Was ist, wenn die Beiden nur unsere Niere wollen und uns dann im Meer versenken – Ok, wir haben uns vielleicht etwas zu viel damit beschäftigt – aber was würdet ihr denken?
Die Crew vom Supermarkt
An einem der Abende liefen wir durch die Straßen und standen auf einmal vor einem Supermarkt gemeinsam mit einem deutschen Pärchen, das scheinbar gerade neu auf Langkawi war und sich zum Nachtmarkt durchfragen wollte. Wir dachten uns – Hey, die sehen aus wie Traveler und nicht wie typische Touristen – lass uns fragen ob die nicht auch Lust hätten auf diese Reise – gesagt getan – nach einem kurzen Plausch tauschten wir Nummern aus und verabschiedeten uns in die Nacht.
Leider waren unsere Nummern falsch und so verlor sich der Kontakt – doch irgendwie hatten die Beiden so Bock auf diese Reise, dass sie nicht nur uns wieder gefunden haben, sondern vorher auch Kontakt mit der Sindbad-Crew aufnehmen konnten. Einen Abend vor Abreise standen Julia und Michael, auf einmal vor unserer Hostel-Tür und wir waren überglücklich, dass wir gemeinsam zu diesem Törn starten würden.
Auf ins Abenteuer
Wir checken aus, rufen uns ein GRAB-Taxi und holen Julia und Michael plus Gepäck (Oh Mann, die beiden hatten echt viel Gepäck) vor ihrem Hostel ab. Sieben Tage werden wir nun auf engstem Raum leben – wir kennen eigentlich keinen der Crew so richtig und dennoch können wir es kaum erwarten endlich loszufahren.
Am Hafen werden wir schon von Dough erwartet, der uns alle zusammen in seinem Dinghy (ein kleines Beiboot) aufs Schiff hinausbringt. Wir finden unsere Kojen und verstauen unsere Habseeligkeiten. Die Reise beginnt in diesem Moment, obwohl wir noch vor Anker liegen – denn es müssen noch einige Dinge erledigt werden.
Wir fahren wieder an Land und teilen uns auf – die einen kaufen Proviant – die anderen besorgen Eis. Dough und Daniel waren die Eisjungs und konnten noch ein paar andere Formalitäten erledigen. Wir düsen mit dem Dinghy und unseren 20 Kilo Eis, dass langsam in der Sonne dahin schmilzt zurück zur Sindbad. Das Eis ist nicht zum Essen sondern um unsere Vorräte frisch zu halten, so lange es eben geht.
Auf einsamer Mission im Land der Clowns
Als das erledigt war, drückt Dough mir (Daniel) ein Funkgerät und unsere 6 Reisepässe in die Hand. „Ich fahr dich wieder in den Hafen, da machst du Kopien von den Pässen und funkst mich an, wenn du fertig bist, ich hole in der Zwischenzeit die Anderen Clowns vom Einkaufen aus dem Hafen ab“ rief er mir im Fahrtwind zu. Dough nannte eigentlich jeden einen Clown – auch die thailändischen Fischer, Polizisten, Hafenarbeiter, malaysische Zollbeamte und natürlich uns.
Er setzte mich also irgendwo an Land ab und ich suchte einen Copyshop – die Mädels und Michael (den wir ab sofort nur noch MAI-KEL oder Mischi nannten) sollten den Proviant für die nächsten Tage ranschaffen und ebenfalls von Dough abgeholt werden.
Da stand ich nun – mit einem Strohhut – genau wie Dough ihn hatte – in Badehose – FlipFlops – einem Funkgerät und 6 Pässen in der Hand und versuchte der Dame am Kopierer klar zu machen, dass ich diese Pässe nicht geklaut habe, sondern nur je 2 Kopien davon für die Immigration brauche. Ich hätte mir selbst nicht geglaubt, denn ich muss ziemlich bekloppt dabei ausgesehen haben. Irgendwann hat sie mir die Story aber doch noch abgekauft und mir die Kopien für ein paar Cent gemacht.
„Skorpio, Skorpio“ – rauschen
„Skorpio, Skorpio“ – nichts.
Ich stehe auf einem wackeligen Holzsteg und versuche per Funk jemanden zu erreichen, der mich abholen soll – das vereinbarte Codewort war hoffentlich richtig und auch der Kanal war doch 12 – oder doch 21? Verdammt – hab ich was vermasselt? „Skorpio, Skorpio“ – wieder keine Antwort. Knistern – rauschen – Wellen – und ich mit FlipFlops und 6 Pässen auf einem wackelign Steg – was für ein Bild.
„DANIEL, I GONNA PICK YOU UP“
kratzt es auf einmal aus dem Funkgerät. Es war die Stimme von Bethanne – und kurz darauf sehe ich sie im Dinghy auf mich zu rasen. Die Ebbe setzt langsam ein und ich kann die Steine und Fische im Wasser unter mir sehen – Wahnsinn, was mache ich hier eigentlich gerade. Sie dreht bei und hält neben dem Steg an – ich mache einen Schritt und „KNACKS“ – breche durch das Holz knietief ein – es schmerzt höllich und ich blute am Unterschenkel – halb so wild – ab ins Boot und schnell weg hier. Wir landen auf der Sindbad und die Einkäufe werden gerade verstaut. Mission erfolgreich – keine Verluste.
Die erste Nacht auf dem Schiff
Wir lichten den Anker mit einer gigantischen Höllenmaschine, die das tonnenschwere Biest vom Meeresgrund ziehen soll. Dabei rattert jedes Kettenglied einzeln am Schiff empor, um dann über dicke Rollen im Bug zu verschwinden. Dough hält eine Eisenstange in der Hand und stellt damit am Ende die Bremsen der Ankeranlage fest. Er versucht uns Jungs die Handgriffe beizubringen und versucht uns zu erklären, wie die Kupplung und der Motor zu bedienen sind. Mischi und ich sind uns im Stillen einig, dass keiner von uns dieses Ding auch nur anfassen will – denn wenn die Kette ins Meer rauscht, dann zieht sie alles mit sich – auch deinen Arm.
Dough springt zurück auf die Brücke und gibt ein paar Anweisungen an Bethanne weiter – kurz darauf hastet er in den Maschinenraum und wirft den uralten Motor an, der übrigens noch nie defekt war und seit den ersten Tagen des Schiffes hier seinen Dienst tut. Es ist ein alter Diesel und die Maschine läuft mit dumpfen Tönen vor sich hin.
Wir verlassen also Kuha und nehmen Kurs auf Telaga – welches sich im Norden von Langkawi befindet – hier müssen wir uns aus Malaysia abmelden und weiteren Papierkram erledigen – außerdem ist dieser Hafen wichtig für unsere Trinkwasserversorgung und zum Tanken.
Nach einer kurzen Fahrt steht uns also unser erstes Anlegemanöver in einem Hafen bevor – alle verfallen in Panik, da wir davon ausgegangen sind, einfach nur den Anker irgendwo fallen zu lassen und dann mit unserem Beiboot gemütlich in den Hafen zu schippern – jeder vernünftig denkende Mensch würde sich jetzt natürlich fragen, wie denn die 800 Liter Trinkwasser oder der Sprit ins Schiff kommen sollen, wenn wir draußen vor Anker liegen – wir nicht. Und so war die Überraschung groß als jeder von uns einen Job bekam, der die Sicherheit des Schiffs gefährden könnte.
Dough versuchte uns allen „ganz fix“ mal zu erklären wie das mit den Fendern, der Bowline, der Slipline und dem ganzen anderen Rest zu funktionieren hat – alle sagen „JAJA“ und hoffen aufs Beste. Die Fragezeichen um uns herum versuchen wir auszublenden und zu verstecken. Schlussendlich werden wir vom Hafenmeister angeschnauzt und es entsteht eine kleine Unstimmigkeit zwischen unserem Kapitän und der Landratte vom Hafen, die dazu führt das wir allein anlegen müssen – aber alles halb so wild – es ist auch nichts kaputt gegangen.
Während Dough unser Trinkwasser tankt, laufen wir anderen zur Immigration – ein Bild das wieder einmal so skurril wie komisch ist – vier Leute, die in ihrem ganzen Leben noch keinen Handgriff auf einem Schiff getan haben und eine kleine Frau mit Vietnam-Hut stehen im Büro der malaysischen Immigration und versuchen als „Crew“ aus dem Land zu kommen – wir alle sind hier nämlich keine Passagiere sondern hart arbeitende Crewmitglieder – zumindest für die Papiere – und so sehen wir auch aus.
Mischi und Daniel müssen sich danach noch um Sprit für das hungrige Monster kümmern und stehen vor dem Problem, dass der Hafen demnächst schließt aber die Tankstelle gerade eine Art Inventur macht und erstmal keinen Diesel mehr rausrücken kann. Nicht mal eine Cola dürfen sich die Beiden genehmigen, da das Kassensystem lahm gelegt ist. Irgendwann klappt es dann aber doch noch und die Beiden schleppen 4 riesige Kanister voll mit explosivem Treibgut durch die Hafenanlage, bevor wir endlich wieder ablegen und in See stechen können.
Wir ankern nicht weit weg von Langkawis Westküste und bereiten uns auf die erste Nacht auf dem Schiff vor. Es gibt unser erstes leckeres Abendessen, von dem wir die nächsten Tage noch so viel bekommen werden und uns heute noch fragen, wie hat sie das gemacht? Bethanne zauberte in ihrer kleinen Küche für 6 Leute die leckersten Gerichte und das morgens, mittags und abends. Es war fantastisch.
Santa und Daniel schlafen in der Mitte des Schiffes in einem großen weichem Bett, während Julia und Mischi im Bug die Nacht verbringen – dazu müssen sie über eine steile Treppe nach unten balancieren und Nachts auch wieder hoch, wenn sie mal auf Toilette wollen. Eine unangenehme Vorstellung mitten in der Nacht auf einem rutschigen Metall-Schiff das Klo finden zu müssen, dass sich in unserem Zimmer befindet. Wir sind aber ganz froh, dass wir in der Mitte schlafen können und das Klo quasi neben unserem Bett ist, auch wenn es nicht so prickelnd klingt.
Nachts erscheinen um uns herum unendlich viele grüne Lichter. Fischer, die es auf Tintenfische abgesehen haben lassen ihre Generatoren knattern, um ein extrem helles grünes Licht ins Meer abzugeben, dass angeblich dabei helfen soll Tintenfische anzulocken. Ob es klappt wissen wir nicht und sind einfach nur genervt vom Lärm und den hellen Lampen, die uns umgeben. Einige liegen mit ihrem Kutter nur wenige Meter neben unserem Schiff. Unter uns gluckern die Wellen und das sanfte hin und her lässt uns irgendwann einschlafen.
Drei Buddeln Rum für den Thai-Beamten
Die erste Nacht verbringen wir also auf dem Meer vor Langkawi – wir schlafen ruhig und wirklich gut – der nächste Morgen startet entspannt und mit einem tollen Sonnenaufgang. Außer für Julia – ihr ist es im Bug recht übel geworden, da dieser Teil des Schiffes am stärksten schwankt.
Kommentar von Julia: Meine allererste Nacht auf hoher See, auf einem alten Frachtschiff, unten im Bug – da sind die schrecklichsten Alpträume ganz von allein gekommen: Das Schiff ist mit Wasser vollgelaufen und hat sich komplett um die eigene Achse gedreht. Da Michi und ich ganz unten geschlafen haben, hatten wir die schlechtesten Karten dabei! Was eine Nacht! Dementsprechend „gut gelaunt“ bin ich am nächsten Morgen auch die steile Holztreppe hochgestampft. 😀
Wir beschließen also unsere Zimmer zu tauschen – Wobei Santa sich dafür entscheidet lieber im Laderaum zu übernachten, als die kleine steile Treppe hinunter zu wackeln – ich schlafe also allein im Bug.
Wir sind froh, dass wir nun alles „Offizielle“ erledigt haben und freuen uns auf die erste richtige Fahrt – es geht nach Koh Lipe, Thailand. Kaum sind wir draußen auf dem Meer, sehen wir die ersten Delfine und sogar einen Wal. Ein toller Anblick und eine Bestätigung dafür, dass es eine gute Entscheidung war, hier her zu kommen.
Die Fahrt dauert nur ein paar Stunden und während dieser Zeit haben wir Gelegenheit viele Geschichten zu hören und uns näher kennen zulernen. MAI-KEL versucht sein Glück mit einer Angel, die Dough und er zusammenbasteln und hinterm Schiff her ziehen – ohne zu viel zu verraten – wir waren froh, dass wir an Land ein paar essbare Dinge eingekauft haben.
Mit unserem Beiboot landen wir am Strand von Kho Lipe – das Wasser ist kristallklar und der Sand mehlig weiß und fein – vor uns liegen einige Touristen und sind wahrscheinlich ziemlich irritiert von dieser bunt zusammen gewürfelten Truppe die da einfach so an ihrem Badestrand auftaucht. Die meisten von ihnen kommen mit Speedbooten und Fähren aus Malaysia oder Thailand hier an und müssen sich dann bei der Immigration einstempeln. Wir machen da keine Ausnahme und sind eigentlich auch nur deswegen nach Koh Lipe gekommen – wir brauchen einen Einreisestempel in unseren Pässen.
Wir setzen uns in ein kleines Restaurant und versuchen mit geballtem Halbwissen die Papiere auszufüllen, die man uns gegeben hat. Wird schon irgendwas davon stimmen – Hauptsache wir kommen hier schnell wieder raus, um das Meer zu genießen. Als wir vor die Touristen geschoben werden, die noch warten müssen, dass man ihre Formulare prüft, wissen wir wieder, dass wir hier eine Ausnahme sind.
Die Stempel sind schnell gesetzt und Dough quatscht noch ein bisschen mit dem Beamten der Immigration der auf einmal 3 Flaschen Rum für seine Dienste haben will – als Dough ihm das verwehrt, sind es auf einmal 500 Bhat. Eine Preisliste gibt es sicherlich irgendwo in einer Schublade, hinten, rechts, auf einer anderen Insel oder auch nicht. „Nächstes Mal gibt es auf alle Fälle einen Rum“ verspricht Dough dem Beamten und verschwindet mit seinem Strohhut und seiner braunen Dokumentenmappe unterm Arm zum Strand. Erledigt. Endlich – und damit Willkommen in Thailand – schon wieder!
Wir genießen den restlichen Tag auf der Insel und im Wasser sowie das Flair der Insel. Hier ist wieder ein ganz besonderes Stück Thailand, das entspannt und locker rüber kommt. Es gibt überall kleine Bungalows und Anlagen direkt am Meer – viele von ihnen haben Hängematten und Palmen – wie man es sich eben wünscht. Abends gibt es Reggae Musik bei tollen Sonnenuntergängen – ein kleines Paradies.
Zurück auf dem Schiff hören wir abends wieder gespannt Doughs Geschichten zu – er ist ein Meister der Erzählung und weiß ganz genau, wie man sein Publikum fesselt. Er erzählt uns die Geschichte der „MASTERS“ und wir haben das Gefühl Jack Sparrow persönlich sitzt da vor uns im Kerzenschein und gibt sein allerbestes Seemansgarn aus. Bethanne zaubert wieder ein unglaublich leckeres Essen in ihrer Küche und reicht es uns durch eine kleine Lucke nach oben.
Wir haben einen tollen Abend und schmieden Pläne für die weitere Reise, bevor wir alle wieder in unsere Kojen verschwinden. Es ist eine sternenklare Nacht und jeder von uns spielt mit dem Gedanken, an Deck des Schiffes zu schlafen – keiner macht es – aber wir schauen noch ewig in die Sterne bevor wir endlich schlafen gehen.
Viel Ingwer-Tee und eine einsame Insel
Unser nächstes Ziel sollte „Koh Rok Nok“ werden – uns völlig unbekannt, und auch Dough kannte diesen Ort nur von Erzählungen andere Segler. Wir Landratten werden von der Maschine im Schiffsbauch geweckt und als die Ankerkette hochrattert, klettere ich die steile Treppe empor, um zu sehen, was vor sich geht. Santa steht schon mit einem Kaffee in der Hand an Deck und wir sehen einen atemberaubenden Sonnenaufgang. Der Kurs ist gesetzt und wir stampfen los.
Sieben Stunden auf rauer See und kein Land in Sicht – Julia und Daniel wird übel während das Schiff sich heftig hin und her bewegt – beide sind erstmal außer Gefecht und halten sich krampfhaft an ihren Ingwer-Tee-Tassen fest. Das Wasser bricht nun auf unser Deck ein und wir müssen die Stühle festbinden. Keiner darf sich mehr an Deck bewegen alle müssen in der Nähe der Brücke bleiben und sich festhalten. Dough lacht darüber nur und sagt, dass dieses laue Lüftchen ein Witz gegen das sei, was wir auf der Fahrt nach Sri Lanka erlebt hätten.
Nachdem wir die sieben Stunden Fahrt überlebt haben und endlich wieder vor einer Insel ankern, können wir unseren Augen kaum glauben.
Kannst du dir bitte vorstellen, dass jemand frisches Mineral-Wasser ins Meer kippt und du auf einem Schiff liegst, während eine weiße Insel mit ein paar Palmen vor dir im Sonnenlicht erscheint. 15 Meter tief ist es hier und man kann jeden Stein am Grund des Meeres sehen. Fische umkreisen die Sindbad und wir sehen außer uns keinen anderen Menschen hier. Dieses Bild brannte sich tief in unsere kleinen Köpfe rein und wir waren in diesem Moment im Paradies.
An dieser Stelle sind Julia beim Korrekturlesen die Tränen auf die Tastatur getropft. Für Einige klingt das jetzt sicherlich übertrieben – aber glaubt mir, wenn ihr die Reise auf der Sindbad miterlebt hättet, wüsstet ihr, was ich meine. Wir haben wirklich das Paradies gefunden! Vielleicht war die gesamte Zeit auf der Sindbad auch schon das Paradies…
Da wir euch nicht langweilen wollen mit unzähligen Einzelheiten unserer weiteren Fahrt, haben wir ein paar Anekdoten zusammengefasst, die wir so während unserer Fahrt erlebt haben. Natürlich ist noch viel viel mehr passiert und jede Minute hat eine Geschichte geboren, doch all diese zu erzählen würde wohl sieben Tage dauern. Hier also nur ein paar davon:
Unser Segel reißt:
Dough will unbedingt schneller nach Koh Phi Phi kommen und so lässt er uns das Hauptsegel setzen – eine anstrengende Arbeit und wir fragen uns alle, wie die Beiden das wohl machen, wenn keiner mit ihnen reist. Viele Handgriffe sind nötig, um es in die richtige Position zu bringen. Ein Fehler und das Segel oder die eigenen Finger sind in Gefahr. Wir hieften das Tuch also am Mast empor und ich sah, wie es sich um die Radar-Antenne wickelte – Dough und Mischi zogen wie die Stiere und das Segel bekam Wind.
Meine Rufe, mit dem Ziehen aufzuhören wurden im Wind erstickt und das Segel baute soviel Spannung auf, dass es am Radar zerrissen ist. Teile der Mastlampe fielen nach unten – zum Glück wurde keiner von den Glassplittern getroffen. Die Lampe selbst hing nur noch an ein paar Drähten und das Segel riss durch den aufkommenden Wind immer weiter ein – wir wollten es wieder einholen, doch dafür war es jetzt zu spät.
Mit voller Fahrt und einem zerfetzten Segel schoben wir uns durchs Meer. Bei diesem Wind wäre es wohl gefährlicher das Tuch einzuholen als einfach hängen zu lassen. Dough meinte später er hat das Segel vor 40 Jahren im Müll gefunden, und wird es auch dahin wieder zurücklegen. Eine Reparatur kam für ihn nicht in Frage.
Als Dough am Mast baumelt:
Später wollte der Captain die Mastlampe abbauen, um uns vor weiteren Glassplittern zu schützen und um das Mistding wieder zu reparieren – schwer machbar, wenn das letzte Ersatzteil dafür wohl vor 70 Jahren hergestellt wurde. Alles an diesem Schiff ist ein Unikat und kann unmöglich einfach so ersetzt oder erneuert werden – zumindest nicht ohne ganze Komponenten komplett auszutauschen. Wie kommt man nun also an diese Lampe die an einem Mast hängt der ungefähr 10 Meter hoch ist? Doughs Lösung: ein kleines Brettchen mit ein paar Seilen – wir würden es wohl Schaukel nennen – er nannte es LIFT.
Mischi und ich sollten ihn dann einfach am Mast nach oben ziehen und gut aufpassen das wir ihn nicht auf einen Höllenritt nach unten schicken würden. Ohne jegliche Sicherung vertraute er uns sein Leben an – und wir hatten sicher mehr Schiss als er. Er schraubte die Lampe ab und hielt sie in seinen Armen wie ein Katzenbaby, dass er gerade vom Baum gerettet hat. Wir ließen ihn langsam hinunter und waren froh, dass wir auch diese Situation gemeistert haben.
Wie Dough uns alle alt aussehen ließ:
Ein kleines Plastikteil das unterm Rumpf des Schiffes angebracht werden soll, sorgt dafür, dass wir alle wie Nichtschwimmer aussehen. Er steht an Bord der Sindbad und ruft uns zu wer sich wohl mal eben unters Schiff traut, um da nachzuschauen, ob dieses Teil in einem kleinen Loch unten passen würde. Wir alle denken – HÄ? Was denn für´n Loch, wie und wo ist das? Wie komm ich da runter? Und wie lange soll ich tauchen, damit ich das finde und „mal eben“ ausprobieren kann?
Noch bevor unsere Ausreden das Meer verlassen konnten, springt Dough ins Wasser und taucht mit einem Atemzug unters Schiff – er probiert das Teil, das er in seiner Hand hat mehrmals aus und bleibt eine ganze Weile kopfüber an diesem Loch hängen – wir beobachten das Ganze durch unsere Taucherbrillen und atmen hastig durch unsere Schnorchel. Er taucht wieder auf und ruft… PASST NICHT! Er verschwindet im Lagerraum und man hört ihn feilen. Kurze Zeit später springt er wieder hinein – PASST! Mission erfolgreich – alle jungen Crew-Mitglieder völlig blamiert.
Bethanne schwimmt mal eben:
Immer wieder haben wir auf Inseln eingekauft, was wir so für den Tagesbedarf benötigen – bei längeren Fahrten kauft man entsprechend mehr ein. Als wir auf Koh Lanta unsere Einkäufe zum Strand tragen und Dough das Zeichen zur Abholung geben, reagiert dieser aber mal wieder nicht – seinen Mittagsschlaf zog er knallhart durch. Bethanne hatte aber Angst das ihre Einkäufe in der Sonne das Zeitliche segnen und sagte uns: „Wartet hier, ich schwimm schnell mal zum Schiff“
Das klingt vielleicht nicht so wild, aber unser Schiff lag gute 900 Meter vom Strand entfernt, das Meer war voller Quallen an dieser Stelle und die Wellen waren deutlich spürbar, außerdem ist die gute Frau bereits über 70. Sie wurde aber am Ende von Dough und seinem Beiboot eingesammelt und wir alle waren froh, dass sie nicht bis zum Ende schwimmen musste. Sie hätte es aber sicherlich geschafft – Keine Frage.
Der Abschied
Am Ende unserer 7 Tage landen wir in Phuket, stempeln uns als Crew vom Schiff aus und wir verlassen die Sindbad mit einer Träne in den Augen – wir sind alle ganz still und wollen eigentlich nicht von Bord gehen. Dies war wohl die schönste Zeit auf unserer Reise. Alles roch nach Abenteuer und Freiheit. Als wir in Phuket Doug und Bethanne wieder verlassen, ziehen wir mit Julia und Michi noch in ein gemeinsames Hotel und schwärmen ein paar Tage von den erlebten Stunden.
Die Sindbad steht aktuell zum Verkauf und wird wahrscheinlich bald einen neuen Besitzer haben. Bethanne und Dough werden sich ein neues Leben suchen müssen und dies wird für die beiden sicherlich schwerer als für uns, da sie es nicht gewohnt sind, an Land zu leben. Doch auch dies werden die Beiden irgendwie meistern – wie alles im Leben.
Wir haben den allergrößten Respekt vor den beiden und haben sie immer bewundert. Diese Geschichte zeigt dir hoffentlich, dass ungeplantes Reisen seine Vorteile haben kann, wenn man sich auf das, was auf einen zukommt, einlässt und Chancen bei der Hand nimmt und ein Stück mit ihnen geht.
Wir würden es immer wieder so machen und hatten eine grandiose Zeit. Hab den Mut und reise!
Viel Spaß wünschen dir
Santa und Daniel
Toller Bericht, danke fürs Teilen!
Danke fürs Lesen und das positive Feedback 🙂
Super ?
Der Kaffee ist ausgetrunken, dein Bericht gelesen, das Herz schwer vor Reisesehnsucht, Tränen in den Augen… Genialer Bericht! Just do it and enjoy it!
OMG – jetzt müssen wir auch wieder weinen – Danke für deinen Kommentar. Danke fürs Lesen und wir wünschen dir, dass du bald auch so einen Trip erleben kannst. LETS-DO-THIS!!!!